„Im Rückblick bleibt zum abgelaufenen Geschäftsjahr 2014/15 einmal mehr vor allem die Feststellung, dass sich die Erwartungen des Jahresbeginns – nämlich der Übergang der weltwirtschaftlichen Entwicklung vom inzwischen fünfjährigen Krisenmodus in einen erstmals wieder breiten Aufwärtstrend – neuerlich nicht erfüllt haben. Abgesehen von den USA und Mexiko, einigen südostasiatischen und einzelnen europäischen Ländern blieb die Realität am Ende wie schon in den Jahren davor deutlich hinter den ursprünglichen Hoffnungen zurück.“
Viel treffender könnte man die Entwicklung im vergangenen Geschäftsjahr nicht charakterisieren, wäre dies nicht schon die Beschreibung des Vorjahres im damaligen Geschäftsbericht gewesen, wie die Jahreszahl 2014/15 unschwer erkennen lässt. Einmal mehr wird damit aber allzu deutlich, wie weit nicht nur die europäische, sondern die gesamte Weltwirtschaft auch über sieben Jahre „nach Lehman“ noch von dem, was einmal als „normale“ Konjunkturentwicklung verstanden wurde, entfernt ist.
Auch die konjunkturellen Voraussetzungen zu Beginn des Geschäftsjahres 2016/17 lassen eine kurzfristige Besserung der globalen Wirtschaftssituation nur wenig wahrscheinlich erscheinen. Dies spiegeln auch die jüngsten Konjunkturprognosen einer Reihe von renommierten Wirtschaftsinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds oder der OECD wider. Unabhängig von den ökonomischen Dimensionen wäre als Voraussetzung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Erholung nicht zuletzt eine Deeskalation in den politischen Krisenherden der Welt notwendig – insbesondere jenen im Nahen und Mittleren Osten, aber auch in Afrika –, für die es derzeit allerdings nur geringe Anzeichen gibt. In ihren wirtschaftlichen Auswirkungen unmittelbarer wirkt die Tatsache, dass in jenen Regionen, die in den letzten Jahren das Wachstum der Weltwirtschaft getragen haben, die konjunkturelle Dynamik nachgelassen hat. Dies gilt insbesondere für China, aber auch die USA, deren schwächeres Wachstum realistischerweise auch nicht durch eine zunehmende Konjunkturdynamik am indischen Subkontinent und eine gewisse weitere Belebung in Teilen Europas kompensierbar sein wird. Unverändert keine Wachstumsunterstützung ist im Jahresverlauf aus den Krisenregionen Brasilien und Russland zu erwarten.
Trotz dieses generell schwierigen Umfeldes gibt es seit Jahresbeginn 2016 auch Ansätze, die für eine Entspannung der wirtschaftlichen Entwicklung im weiteren Jahresverlauf sorgen könnten. Dazu gehört eine gewisse Stabilisierung der Rohstoffpreise, allen voran des Ölpreises, genauso wie ein gegenüber dem Vorjahr deutlich stabileres globales Wechselkursgefüge und die weltweit anhaltend starke Entwicklung der Automobilindustrie. In der 2. Jahreshälfte könnten auch erste positive Effekte des neuen chinesischen Fünfjahresplanes und der entsprechenden konjunkturellen Unterstützungsmaßnahmen durch die chinesische Zentralbank wirksam werden. In Europa sollten die vor gut zwölf Monaten eingeleiteten konjunkturstimulierenden Maßnahmen der EU-Kommission und die Wachstumsunterstützung der Europäischen Zentralbank 2016 bereits wesentlich stärker spürbar werden, als dies im vergangenen Jahr der Fall war.
Die im weiteren Verlauf des Geschäftsjahres zu erwartende Nachfrageentwicklung stellt sich für die einzelnen Industriesegmente sehr unterschiedlich dar: In der Automobilindustrie – dem weitaus wichtigsten Umsatzsegment des voestalpine-Konzerns – zeichnet sich, wie bereits erwähnt, eine stabile Bedarfsentwicklung auf weltweit unverändert hohem Niveau ab. Grundsätzlich positiv, regional bedingt durch Nachfrageschwächen seitens der Schwerlastbahnen aus dem Rohstoffsektor, allerdings differenzierter und aktuell vor allem getrieben durch eine zufriedenstellende Nachfrage in Europa und China, stellt sich die Lage im Bereich Eisenbahninfrastruktur dar. Ebenfalls eine ungebrochen starke Entwicklung nimmt die Flugzeugindustrie, in Bezug auf Umsatz und Absatzvolumen zwar kleinster, aber am stärksten wachsender Bereich des insgesamt fast 50 % des Konzernumsatzes auf sich vereinigenden Kundenportfolios im Bereich Mobilität.
Ungleich schwieriger und in der Entwicklung im weiteren Jahresverlauf kaum abschätzbar stellt sich der Energiesektor dar, auf den rund 15 % des voestalpine-Umsatzes entfallen. Die konventionelle Energieerzeugung (Kraftwerks- und Energiemaschinenbau) befindet sich in Europa als Konsequenz des Nachfrageeinbruchs infolge der „Energiewende“ in einem permanenten Restrukturierungsprozess; weiterhin steigende Bedarfe beschränken sich auf die – anlagentechnisch inzwischen weitgehend autonomen – Emerging Markets, insbesondere China und Indien. Der durch ein massives globales Überangebot im Verlauf des Jahres 2015 aus den Fugen geratene Öl- und Gasmarkt zeigte zuletzt preislich vorsichtige Konsolidierungstendenzen. Ob und wie weit sich daraus im Verlauf des neuen Geschäftsjahres tatsächlich auch eine Belebung der Anlagen- und Ausrüstungsinvestitionen dieses Sektors ergibt, bleibt allerdings abzuwarten.
Weiterhin wenig spektakulär, aber alles in allem stabil auf solidem Niveau, verläuft die Konjunkturentwicklung in der Konsumgüter-, Hausgeräte- und Elektroindustrie, vergleichsweise deutlich volatiler mit zuletzt allerdings positiver Tendenz stellt sich – nicht nur in Europa – die Nachfrage im Maschinenbau dar. Die für die Gesamtkonjunkturentwicklung wichtige, für den voestalpine-Konzern aber nur wenig relevante Bau- und Bauzulieferindustrie entwickelt sich weiterhin sowohl global als auch aus engerer europäischer Sicht betrachtet sehr unterschiedlich. Vor allem in Europa, zuletzt aber auch wieder verstärkt in China, wird mit staatlichen Unterstützungsmaßnahmen versucht, dem Sektor zusätzliche Dynamik zu verleihen.
Die aus der generellen Konjunkturschwäche bei gleichzeitig massiven Überkapazitäten resultierenden spezifischen Probleme der Stahlindustrie nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Regionen, werden seit Sommer 2015 noch durch extrem gesteigerte Exporte zu Dumpingpreisen aus einzelnen Ländern, insbesondere China, massiv verschärft. Der voestalpine-Konzern ist davon aufgrund einer seit mehr als 25 Jahren in seinem Stahlbereich praktizierten „Hightech/Highquality-Strategie“ und einer darauf aufbauenden, seit über 15 Jahren konsequent umgesetzten „Downstream-Strategie“ vergleichsweise nur wenig betroffen. Hauptverantwortlich für diese vor allem in schwierigen Zeiten zum Tragen kommende Sonderposition ist die Tatsache, dass heute rund 70 % des Umsatzes dem anspruchsvollen Industriegüterbereich, wie etwa kompletten Weichensystemen für Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken, komplexen Automobilkomponenten oder anspruchsvollen Flugzeugteilen, zuzuordnen sind. Aber auch die verbleibenden 30 % an Umsatz stellen hochqualitative Stahlprodukte dar, welche sich massiv von am Spotmarkt gehandelten Commodities differenzieren und ausschließlich über direkte längerfristige Vertragsbeziehungen mit Endkunden abgesetzt werden. Die damit im Konkurrenzvergleich sich deutlich differenzierende Aufstellung des Konzerns mit einem klaren Fokus auf dem Technologie- und Industriegüterbereich wird operativ durch permanente Effizienzsteigerungs- und Kostenoptimierungsprogramme unterstützt; so geht 2016/17 das bisher letzte, eine Laufzeit von drei Jahren und Verbesserungsmaßnahmen im Gesamtvolumen von 1 Mrd. EUR umfassende Programm in seine finale Phase.
Vor dem Hintergrund dieser insgesamt sehr spezifischen Positionierung sollte für den voestalpine-Konzern auch im Geschäftsjahr 2016/17 selbst bei einem anhaltend schwierigen konjunkturellen Umfeld ein (bereinigtes) operatives Ergebnis (EBITDA) und ein (bereinigtes) Betriebsergebnis (EBIT) zumindest annähernd auf Höhe des vergangenen Geschäftsjahres möglich sein. Jede weitergehende Ergebnisindikation würde aufgrund der extremen politischen und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten des aktuellen Umfeldes den Ansprüchen verantwortungsbewusster Unternehmens- und Kapitalmarktkommunikation widersprechen.
Linz, 25. Mai 2016
Der Vorstand
Wolfgang Eder
Herbert Eibensteiner
Franz Kainersdorfer
Robert Ottel
Franz Rotter
Peter Schwab
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