Nach Jahren kontinuierlicher Steigerungsraten der weltweiten Stahlproduktion brachte das Jahr 2015 eine Trendwende. Hintergrund dieser Entwicklung ist vor allem eine strukturelle Änderung der chinesischen Wirtschaftspolitik von einer stark staatsinterventionistischen, investitionsgetriebenen Wirtschaftsstruktur hin zu einer verstärkten Ausrichtung auf Konsum und Dienstleistungen. Die chinesische Stahlindustrie, die aktuell rund die Hälfte zur weltweiten Produktion beiträgt, war 2015 erstmals seit vielen Jahren mit einer rückläufigen Bedarfsentwicklung konfrontiert. Da in der Vergangenheit enorme Stahlkapazitäten aufgebaut wurden und China damit über gigantische strukturelle Überkapazitäten verfügt, hatte der Nachfrageschwund zunächst wettbewerbsbedingt negative Auswirkungen auf die Stahlpreise vor Ort. Angesichts der darauf folgenden massiven Ausweitung der Exporttätigkeit der chinesischen Stahlerzeuger gerieten auch die globalen Stahlpreise sehr rasch unter Druck. Verschärft wurde die Lage durch den rapiden Preiseinbruch der für die Stahlerzeugung wichtigsten Rohstoffe, deren Ursache wiederum vor allem im schwindenden Rohstoffverbrauch in China zu sehen ist. Viele der von den chinesischen Importen betroffenen Länder reagierten auf die Überschwemmung mit Commodity-Produkten mit der Verhängung von Einfuhrzöllen. Auch von der Europäischen Kommission wurden im Frühjahr 2015 Untersuchungen in Bezug auf Dumpingvorwürfe bei kaltgewalztem Stahlband mit den Herkunftsländern China und Russland eingeleitet, die schließlich im Februar 2016 zur Verhängung vorläufiger Strafzölle führten. Ebenfalls im Februar 2016 hat die Kommission Dumpingermittlungen für die wesentlich bedeutenderen Produktgruppen warmgewalztes Stahlband sowie Grobblech aus China aufgenommen, wobei die Entscheidung in Bezug auf vorläufige Einfuhrzölle allerdings nicht vor kommendem Herbst zu erwarten ist.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Entwicklung der Stahlpreise in Europa im abgelaufenen Geschäftsjahr zu sehen. Trotz einer – mit Ausnahme der Bauindustrie – überwiegend soliden Nachfragesituation der für die Stahlindustrie wesentlichen Kundensegmente verfielen die Warmbandpreise am Spotmarkt in Südeuropa gegen Jahresende 2015 auf unter 300 EUR je Tonne und damit auf ein Niveau, das nicht einmal am Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise erreicht wurde. Durch die Ausrichtung auf das höchste Gütenspektrum und den Fokus auf Kontraktgeschäfte mit langjährigen Kunden konnte sich die Steel Division dem negativen Sentiment zwar auch nicht völlig entziehen, die Preiseinbußen fielen aber deutlich geringer aus, als das am commodityfokussierten Spotmarkt der Fall war. Gegen Ende des Geschäftsjahres 2015/16 kam es zu einer leichten Erholung der Stahlpreise am Spotmarkt, die allerdings in erster Linie dem Anstieg der Rohstoffpreise und weniger einer generellen Stimmungsänderung geschuldet war.
Die Steel Division profitierte von ihrer Ausrichtung auf das anspruchsvollste Marktsegment, die Automobilindustrie, welche einmal mehr als Impulsgeber für die Vollauslastung aller wesentlichen Produktionsaggregate war. Die Neuzulassungen in der Automobilbranche lagen in der Europäischen Union im Kalenderjahr 2015 nochmals um annähernd 10 % über dem bereits guten Vorjahresniveau. Neben den Premiumproduzenten konnten erstmals seit längerer Zeit auch die Hersteller von Klein- und Kompaktautos ihre Produktionszahlen wieder an solide Niveaus heranführen. Führende europäische Autohersteller, die hohe Wachstumsraten auch in China und den USA ausweisen, werden von der Steel Division mittlerweile nicht mehr nur an ihren europäischen Produktionsstätten, sondern verstärkt auch an ihren internationalen Standorten mit hochqualitativen Stahlgüten bzw. daraus gefertigten Komponenten beliefert.
Die Nachfrage aus der europäischen Maschinenbauindustrie zeigte im Geschäftsjahr 2015/16 angesichts verhaltenen globalen Wachstums in für sie wesentlichen Industriezweigen eine volatile und insgesamt nur mäßige Entwicklung. Hingegen bewegten sich die Produktionszahlen in der Konsumgüter-, insbesondere der Hausgeräteindustrie auf einem durchaus soliden Niveau. Der Bauindustrie, die – gemessen am gesamteuropäischen Stahlbedarf – für die Steel Division eine eher geringe Bedeutung aufweist, gelang auch im abgelaufenen Geschäftsjahr – abgesehen von Einzelmärkten – nicht die Rückkehr zu einer einigermaßen normalen Nachfrageentwicklung.
Im Energiesegment lag das Hauptaugenmerk 2015/16 nach dem endgültigen Stopp einer Tiefseepipeline durch das Schwarze Meer auf der Rohrvergabe für die Ostseepipeline von Russland in die Europäische Union. Der Geschäftsbereich Grobblech sicherte sich dabei Mitte April 2016 einen Großauftrag über hochfeste Röhrenbleche bester Qualität für das Projekt „Nord Stream 2“. Die Lieferung von mehreren 100.000 Tonnen an Spezialblechen wird von August 2016 bis Februar 2018 an den strategischen Partner OMK, Russland, erfolgen. Für eine solide Auslastung des neuen Grobblechwalzgerüstes auch bereits im Geschäftsjahr 2015/16 sorgte insbesondere ein Auftrag über 95.000 Tonnen hochqualitativer Röhrenbleche für ein Erdgasprojekt in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
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