Die globale Konjunktur fand seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 trotz massiver staatlicher Interventionen sowie des umfassenden Eingreifens von Institutionen der internationalen Staatengemeinschaft keine nachhaltige Stabilisierung.
War 2011 ein gewisser Optimismus auf breiterer Basis spürbar, wurde er im Laufe des Jahres 2012 und damit über das gesamte Geschäftsjahr 2012/13 des voestalpine-Konzerns wieder von einer pessimistischen Stimmung in den meisten Wirtschaftsregionen der Welt abgelöst. Es kam weltweit zu einer Abkühlung der Konjunktur, der von den einzelnen Volkswirtschaften seither mit unterschiedlichen Methoden und bislang ebensolchem Erfolg begegnet wird. Wirtschaftssanierung über konsequente Sparprogramme oder über – schuldenfinanzierte – Wachstumsprogramme lautet dabei die grundsätzliche ideologische Auseinandersetzung.
Europa
Bislang haben die in fast ganz Europa ergriffenen Sparmaßnahmen in einigen Ländern zwar zu ersten budgetären Sanierungserfolgen geführt, nicht jedoch zu einer Belebung der Konjunktur. Südeuropa verharrt insgesamt in einer rezessiven Entwicklung, wobei es im Laufe des Geschäftsjahres 2012/13 zu einem Übergreifen der negativen Stimmung auch auf einzelne Länder des europäischen Zentralraumes kam (Frankreich, Slowenien). Branchenbezogen waren von dieser Entwicklung fast alle für die voestalpine AG wesentlichen Abnehmerbereiche betroffen, wobei sich auf Kundenebene ein durchaus differenziertes Bild ergibt: So befinden sich Kunden mit globaler Aufstellung und damit der Möglichkeit, Schwächen in Europa durch Exporte abzumildern, in einer deutlich besseren Lage als Unternehmen, die sich auf den europäischen Markt fokussieren.
Dies gilt grundsätzlich für alle Branchen, zeigt sich aber ganz besonders in der europäischen Automobilindustrie, dem weitaus wichtigsten Kundensegment des voestalpine-Konzerns. Während die deutsche Automobilindustrie die rückläufigen Absatzzahlen in Europa überwiegend durch Exporte, vor allem in die USA und nach Asien, kompensieren konnte, wurden die Hersteller mit Fokus auf dem europäischen Heimmarkt von den Zulassungsrückgängen massiv getroffen und müssen nun in einem gesättigten und schrumpfenden Markt Produktionskapazitäten anpassen, was in ihren jeweiligen Heimatregionen auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung weiter schwächt. Die Lkw-, Bus- und Maschinenbauindustrie folgt grundsätzlich demselben Prinzip. Die Bauindustrie mit ihren überwiegend regional orientierten Märkten bleibt weiterhin das schwächste Branchensegment, da einerseits die öffentlichen Infrastrukturinvestitionen durch die Schwäche der Staatsfinanzen in fast allen europäischen Ländern auf Jahre hinaus auf niedrigem Niveau verharren werden und andererseits auch der private Bausektor durch Finanzierungsrestriktionen und generelle Vorsicht geprägt ist. Ähnliches gilt auch für den Energiesektor, der in Europa durch eine breite Verunsicherung über die langfristige Ausrichtung der grundlegenden Versorgungsstrukturen geprägt ist. Vergleichsweise solide hingegen blieb der private Konsum, wodurch der Konsumgüter- und Hausgerätebereich im Geschäftsjahr 2012/13 eine relativ robuste Nachfrageentwicklung zeigte.
USA / Nordamerika
Die Vereinigten Staaten von Amerika setzen anders als Europa vornehmlich auf eine Politik der Wirtschaftsbelebung. Vorerst gibt die ökonomische Entwicklung dieser Strategie recht, waren die Wachstumsraten im abgelaufenen Geschäftsjahr dort in den meisten Segmenten doch deutlich positiver als in Europa. Neben einer Stabilisierung im Baubereich konnte vor allem die amerikanische Autoindustrie einen imposanten Rebound feiern. Der private Konsum als eine tragende Säule des amerikanischen Wirtschaftsmodells zeigte über weite Strecken des abgelaufenen Geschäftsjahres ebenfalls eine eher robuste Entwicklung, wenn auch gegen Jahresende insgesamt eine Verlangsamung der Wachstumsraten erkennbar war. Trotz aller Probleme um den „Dreamliner“ unverändert erfolgreich entwickelte sich die US-Luftfahrtindustrie.
Kurzfristige konjunkturelle Rückschläge durch das Erreichen der im Bundesgesetz verankerten Schuldenobergrenze haben in jüngster Zeit an Intensität verloren, wenngleich die Nachhaltigkeit der amerikanischen Fiskalpolitik dadurch (un)regelmäßig in Frage gestellt wird. Das Problem der enormen Staatsverschuldung bleibt jedenfalls weiterhin ungelöst.
Brasilien
Die Konjunkturentwicklung Brasiliens, dem für den voestalpine-Konzern wichtigsten Wirtschaftsraum Südamerikas, konnte im Geschäftsjahr 2012/13 nicht an die Dynamik vergangener Jahre anschließen. Vor allem auf der Industriegüterseite zeigte sich eine tendenziell zurückhaltende Entwicklung, während das private Konsumverhalten durchaus auf ansprechendem Niveau verblieb. Gegen Ende des Geschäftsjahres ließen Ankündigungen von politischer Seite betreffend zusätzliche Konjunkturförderprogramme wieder eine optimistischere Stimmung zum weiteren gesamtwirtschaftlichen Grundtrend aufkommen.
Asien
Die Entwicklung der chinesischen Volkswirtschaft verlor im Laufe des Geschäftsjahres 2012/13 an Dynamik. Vor allem im Herbst 2012 war nicht zuletzt in Folge der politischen Machtübergabe eine deutliche Abflachung der Wirtschaftstätigkeit spürbar. Gegen Ende des Geschäftsjahres gewann die gesamtökonomische Entwicklung zwar wieder etwas an Momentum, allerdings verdichten sich gleichzeitig Zweifel an der Nachhaltigkeit im Sinne eines „echten“ Aufschwungs.
Japan, seit zwei Jahrzehnten in einer Stagnationsphase gefangen, reagierte gegen Ende des Geschäftsjahres 2012/13 auf die verhaltenen globalen Entwicklungen mit einer massiv expansiven Geldpolitik. Dieser unerwartete Strategiewechsel der Bank of Japan zeigte unmittelbar Auswirkungen auf die Währungsparitäten und beschert seither der traditionell stark exportorientierten japanischen Industrie zusätzlichen Rückenwind im globalen Wettbewerb. Vor allem im Bereich der Energieindustrie waren diese Entwicklungen durch eine unmittelbare Verbesserung der Position gegenüber europäischen Wettbewerbern bei globalen Projekten spürbar.
Generelle Tendenzen
Unabhängig von der dargestellten spezifischen Entwicklung in den großen Wirtschaftsräumen lassen sich die Tendenzen in für den voestalpine-Konzern wichtigen global verzweigten Industriesegmenten wie folgt zusammenfassen:
Der im Energiesektor zentrale Bereich der Pipelineprojekte zeigte im abgelaufenen Geschäftsjahr praktisch in allen Wirtschaftsräumen der Welt rückläufige Tendenzen. Während die Explorationstätigkeit, vor allem getrieben von den USA, auf gutem Niveau blieb, wurden große Pipelineprojekte praktisch weltweit zeitlich nach hinten verschoben. Im Bereich der Energieumwandlung, dem Kraftwerksbau, blieb die schon seit Längerem verhaltene Nachfrage auch über das gesamte Geschäftsjahr 2012/13 global betrachtet unverändert niedrig.
Weitgehend konträr verhielt sich im abgelaufenen Geschäftsjahr die globale Nachfrage aus dem Bereich Eisenbahninfrastruktur. Mit Ausnahme Europas bestimmen hohe Infrastrukturinvestitionen in fast allen übrigen Regionen der Welt das Bild dieser Industrie. Neben einer anhaltend starken Nachfragesituation in Nordamerika, den meisten Ländern Asiens und praktisch allen Minenregionen der Welt, kamen zusätzliche Impulse aus dem Mittleren Osten und Südafrika.
Die Luftfahrtindustrie trotzte – wie auch der landwirtschaftliche Nutzfahrzeugsektor – der globalen Konjunkturabkühlung. Beide Segmente zeigten über den gesamten Verlauf des Geschäftsjahres 2012/13 eine sehr stabile Nachfrageentwicklung.
Entwicklung der Divisionen
Die Divisionen des voestalpine-Konzerns waren von diesen Entwicklungen – je nach regionaler und branchenmäßiger Ausrichtung – unterschiedlich betroffen. Während die Metal Engineering Division auf breiter Basis, das heißt praktisch in all ihren Segmenten, eine durchaus erfreuliche Geschäftsentwicklung verbuchen konnte, waren die übrigen Divisionen mehr oder weniger stark von der rückläufigen Gesamtkonjunktur betroffen, ohne dass allerdings auch nur eine Division von der Auslastung oder dem Ergebnis her in Probleme geraten wäre. Die Special Steel Division konnte durch ihre globale Aufstellung die Konjunkturrückgänge in Europa und in anderen Teilen der Welt überwiegend kompensieren und auch die vor allem im Branchenvergleich hervorragend performende Metal Forming Division wird anhand ihrer Ziffern in der Richtigkeit über ihre Internationalisierungsstrategie bestätigt. Die Steel Division war durch die zu rund 85 % auf den europäischen Wirtschaftsraum fokussierte Aufstellung und die insgesamt schwierige Situation der europäischen Stahlindustrie mit den größten Herausforderungen konfrontiert, hat sich dabei aber einmal mehr als Benchmark der Branche in der Europäischen Union erwiesen.
Die Stahlindustrie 2012/13
Die Weltrohstahlproduktion wuchs im Kalenderjahr 2012 nur mehr sehr moderat um 1,2 % auf insgesamt 1.518 Mio. Tonnen, wobei dieser Anstieg überwiegend auf die vergleichsweise noch günstigere Entwicklung in der 1. Jahreshälfte zurückzuführen ist.
Europa konnte zum globalen Wachstum nicht beitragen, war die Produktion mit –4,7 % im Jahresvergleich doch deutlich rückläufig. Diese Entwicklung spiegelt die gesamtökonomische Situation des Kontinents klar wider, wobei „zyklische“ Industrien wie die Stahlindustrie von rezessiven Entwicklungen überproportional tangiert werden. Die gesunkene Produktionsmenge verdeutlicht einmal mehr die strukturellen Auslastungsprobleme der in Europa installierten Rohstahlkapazitäten. Der anhaltende Wettbewerb um Mengen, der immer noch mehr über die Preisseite ausgetragen wird, führt unvermeidbar zu immer niedrigerer Profitabilität des gesamten Sektors. Auf breiter Basis antwortet die europäische Stahlindustrie auf diese Situation bereits seit längerer Zeit mit verstärkten Kostensenkungsprogrammen, was die Industrie insgesamt zwar produktiver macht, gleichzeitig aber auch die konkrete Gefahr in sich birgt, durch fehlende Mittel auf der Investitions- und Entwicklungsseite im globalen Wettbewerb an Schlagkraft zu verlieren, die aber mehr denn je für die Bewältigung der Herausforderungen an die Zukunft des Werkstoffes unverzichtbar ist. Stichwort: alternative Werkstoffe!
Global betrachtet konnte die deutlich positivere Entwicklung in Nordamerika und Asien, hier vor allem in China, den Rückgang in Europa mehr als kompensieren. Konkret trugen in erster Linie Nordamerika mit einem Wachstum von 2,5 % und Asien insgesamt mit einem von 2,7 % (China +3,1 %) zum globalen Produktionszuwachs bei. Auffällig ist dabei allerdings, dass China mit einem Anstieg von 3,1 % 2012 deutlich hinter den hohen Zuwächsen der vergangenen Jahre (+9,3 % 2010 und +8,9 % 2011) zurückblieb.
Einmal mehr unterstreicht die Entwicklung der europäischen Stahlindustrie die Richtigkeit der Strategie der voestalpine AG, sich im klassischen Stahlbereich nur auf die anspruchsvollsten Produktsegmente zu konzentrieren und im Übrigen die Unternehmensgruppe weiter konsequent in Richtung Technologie- und Industriegüterkonzern – ebenfalls mit dem Fokus auf zukunftsorientierten Produktlösungen – zu entwickeln.