Das Jahr 2013 sollte nach viereinhalb Jahren Finanz- und Wirtschaftskrise in vielen Teilen der Welt endlich die Wende zum Besseren bringen – so jedenfalls stellte sich die Erwartungshaltung der Mehrheit der Experten dar, egal ob es sich dabei um renommierte ökonomische Thinktanks oder den politischen Mainstream in den größten Wirtschaftsregionen handelte. Die Nachhaltigkeit der chinesischen Konjunkturentwicklung würde sich nach Bildung der neuen Regierung wieder stabilisieren, das Fiscal-Cliff-Problem der USA wäre ohnehin überbewertet und die Europäische Union bekomme die Staatsschuldenkrise ihrer südlichen Mitgliedsländer wohl zunehmend in den Griff.
Mit der sich etwas anders darstellenden täglichen Realität konfrontiert, hegten schon damals viele Unternehmen Zweifel an diesen optimistischen Erwartungen. Die Fakten zeigten einfach ein anderes Bild: Sie deuteten viel eher auf eine Fortsetzung der stagnierenden, ja rezessiven Entwicklung in Europa hin, einen bestenfalls holprigen Aufschwung in den USA und eine Fortsetzung der ökonomischen Unwägbarkeiten in China. Indien verharrt weiter in bürokratischer Lethargie und der Ausgang der japanischen Geldflutung ist völlig ungewiss, einzig Brasilien zeigt von den großen Volkswirtschaften zuletzt echte Erholungstendenzen.
Aus heutiger Sicht ist festzustellen, dass die globale wirtschaftliche Realität des Frühsommers 2013 leider genau dieser kritischen Erwartungshaltung entspricht und sehr wenig mit der vielfach geäußerten Zuversicht zum Jahresbeginn gemein hat. Die Konjunkturprognosen für das Gesamtjahr wurden zwischenzeitlich nicht bloß einmal auf breiter Front nach unten revidiert.
Vor diesem Hintergrund erscheint es immer weniger wahrscheinlich, dass die erhoffte Konjunkturwende tatsächlich noch im weiteren Verlauf des heurigen Jahres eintritt. Mehr als eine vorübergehende Bedarfsbelebung aufgrund lagerzyklischer Effekte in einzelnen Industriesegmenten ist wohl zunehmend unrealistisch.
Die Nachfrageindikationen der wichtigsten Kundenbranchen deuten für die nächsten Monate jedenfalls überwiegend auf eine unverändert verhaltene generelle Bedarfsentwicklung hin. So sind für die Bau- und Bauzulieferindustrie in Europa noch auf Jahre hinaus schon aufgrund der Budgetrestriktionen der öffentlichen Hand – wenn überhaupt – nur sehr bescheidene Zuwachsraten zu erwarten, kurzfristig muss sogar vor allem in Südeuropa mit weiter anhaltenden rezessiven Entwicklungen gerechnet werden. In den USA stellt sich das Bild zwar etwas besser dar, aber auch hier fehlt es nach wie vor an einer entsprechenden Breite, um von einer umfassenden Trendwende am Bau sprechen zu können. Selbst in China zeigten die Konjunkturförderprogramme der neuen Regierung bisher nicht den erwarteten durchschlagenden Erfolg; im Übrigen wird der wirtschaftliche Schwung des Landes durch die forcierte Transformation von einer staatlich gelenkten zu einer primär konsumgetriebenen Wirtschaft im Vergleich zu den vergangen Jahren deutlich gebremst.
In der Automobilindustrie zeichnet sich auf den außereuropäischen Märkten zwar weiterhin eine überwiegend zufriedenstellende Nachfrageentwicklung ab, die Automobilproduktion in Europa hingegen wird auch mittelfristig mit einer rückläufigen Tendenz konfrontiert sein. Hauptgründe dafür sind einerseits die forcierten Produktionsverlagerungen einer Reihe von Herstellern in die Wachstumsmärkte und andererseits ein krisenbedingt wieder vorsichtigeres Kaufverhalten der europäischen Konsumenten.
Im Energiebereich ist die für 2013 erwartete Belebung der Projekttätigkeit im Bereich Öl- und Gasförderung bisher weitgehend ausgeblieben, die Erwartungen konzentrieren sich damit auf die zweite Jahreshälfte. Für die übrigen Bereiche der konventionellen Energieerzeugung zeichnet sich – abgesehen von China – auch im 2. Halbjahr kein Aufschwung ab. Gleiches gilt für die Alternativenergie, wo die Rücknahme der Subventionen in vielen Ländern Investitionen zunehmend unwirtschaftlich macht.
Konsumgüter-, Hausgeräte und Elektroindustrie sollten sich 2013 generell auf einem vergleichsweise noch relativ soliden Nachfrageniveau entwickeln, Gleiches gilt für den Maschinenbau einschließlich der Sektoren Baumaschinen- und Landmaschinenbau, wobei sich hier China in einzelnen Segmenten, insbesondere dem Baumaschinensektor, deutlich schwächer als in den letzten Jahren darstellt.
Von unverändert hoher Nachfrage geprägt bleiben die Luftfahrtindustrie und der außereuropäische Eisenbahnsektor.
Alles in allem stellt sich das konjunkturelle Gesamtbild kurz vor Ablauf der 1. Hälfte des Jahres 2013 so dar, dass zwar der Abwärtstrend der 2. Jahreshälfte 2012 zum Stillstand gekommen ist, die erwartete Trendwende zum Besseren aber – jedenfalls bisher – nicht stattfindet und sich für deren Eintreten in den nächsten Monaten auch keine wirklichen Anzeichen erkennen lassen.
Für den voestalpine-Konzern zeichnet sich vor diesem Hintergrund für die 1. Hälfte des neuen Geschäftsjahres folgende Entwicklung ab:
- Steel Division
Vollauslastung der Produktion bei anhaltendem Preisdruck in Europa aufgrund einer weiter schwachen Nachfrage und volatilen, tendenziell sinkenden Rohstoffpreisen - Special Steel Division
Abgesehen von saisonalen Schwankungen weitgehende Vollauslastung der Produktion bei alles in allem stabilem Preisniveau auf der Ein- und Verkaufsseite - Metal Engineering Division
Vollauslastung der Produktion bei konstanter Nachfrage und insgesamt stabile bzw. leicht rückläufige, noch zufriedenstellende Preise auf solidem Niveau - Metal Forming Division
Weitgehende Vollauslastung bei jedoch weiterhin gedämpften Preisen aufgrund schleppender Gesamtnachfrage; zusätzliche Herausforderungen durch das Anlaufen der neuen internationalen Produktionsstätten
Aus heutiger Sicht ist auch für die 2. Hälfte des Geschäftsjahres wenig Veränderung zu erwarten, da die für eine Wende zu einer positiveren Entwicklung notwendigen Incentives auf globaler Ebene fehlen – eine Einschätzung, die auch durch die Rücknahme der Wachstumserwartungen in allen aktuellen Konjunkturprognosen bestätigt wird.
Der voestalpine-Konzern sollte trotz dieses anhaltend herausfordernden Umfeldes aufgrund seiner spezifischen Wettbewerbsposition als Qualitäts- und Technologieführer im High-End-Bereich der Stahlprodukte auch im Geschäftsjahr 2013/14 weiterhin die Ergebnisführerschaft der letzten Jahre behaupten können.
Die forcierte Entwicklung vom Stahl- zum Technologie- und Industriegüterkonzern ermöglicht nicht zuletzt auch eine im Branchenvergleich wesentlich größere Ergebnisstabilität und damit Kalkulierbarkeit aus der Sicht des Kapitalmarktes.
Für das Geschäftsjahr 2013/14 zeichnet sich vor dem Hintergrund der anhaltenden globalen Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung aus heutiger Sicht ein operatives Ergebnis (EBITDA) bzw. Betriebsergebnis (EBIT) in etwa auf dem Niveau des abgelaufen Geschäftsjahres ab.